Besinnliches und Denkanstößiges zur Adventszeit

Advent
Rainer Maria Rilke

Es treibt der Wind im Winterwalde
die Flockenherde wie ein Hirt
und manche Tanne ahnt, wie balde
sie fromm und lichterheilig wird,
und lauscht hinaus. Den weißen Wegen
streckt sie die Zweige hin – bereit,
und wehrt dem Wind und wächst entgegen
der einen Nacht der Herrlichkeit.

Rilke, Die Gedichte. Nach der von Ernst Zinn besorgten Edition der sämtlichen Werke, Insel Verlag 1957. Advent, 1913

Rainer Maria Rilke (1875 - 1926), eigentlich René Karl Wilhelm Johann Josef Maria Rilke, österreichischer Erzähler und Lyriker; gilt als einer der bedeutendsten Dichter der literarischen Moderne. 

Die Musik kommt
Kurt Tucholsky

Nun zwängt, die sonst Musik die Töchter lehrte,
sich ins Schwarzseidene mit dem Krachkorsett;
und daß man Haydn, Bach und Koschat ehrte,
beweist man durch Gesang und am Spinett.

Nun schlagen wieder löwenmähnige Meister
mit ihren Pranken auf die Flügel ein,
und fiedelt jemand Violin, dann heißt er
Mischka und soll erst sieben Jahre sein.

Du siehst mich lächelnd an, Eleonore –
auch du, Geliebte, seist ein Singtalent?
Doch jach entfleucht durch meinem rechten Ohre,
was dein Sopran mir in das linke flennt.

Ach ja, der Herbst! Die Blätter werden gelber,
und jedes Mädchen kriegt ein hohes C,
und auch der Muhsikpädagoge selber
stund auf und tremolieretee . . .

Du Stadt der Lieder, bist du nicht verwundert?
So jedes Jahr hast du um den Advent
Musikkonzerte Stücker achtzehnhundert –
doch mit Gewinn: nur sechseinhalb Prozent.

Tucholsky, Werke 1907-1935. In: Die Schaubühne, 09.10.1913, Nr. 41, wieder in: Fromme Gesänge, 1919

Kurt Tucholsky (1890 - 1935), Pseudonyme: Kaspar Hauser, Peter Panter, Theobald Tiger, Ignaz Wrobel; dt. Schriftsteller, Journalist, Literatur- und Theaterkritiker der Zeitschrift "Die Schaubühne" (später umbenannt in "Die Weltbühne"), zählt zu den bedeutendsten Publizisten der Weimarer Republik.
Sei heiter!
Es ist gescheiter
als alles Gegrübel:
Gott hilft weiter –
zur Himmelsleiter
werden die Übel.

Fontane, Theodor, Gedichte. Lebensrat

Verse zum Advent

Noch ist Herbst nicht ganz entflohn,
Aber als Knecht Ruprecht schon
Kommt der Winter hergeschritten,
Und alsbald aus Schnees Mitten
Klingt des Schlittenglöckleins Ton.

Und was jüngst noch, fern und nah,
Bunt auf uns herniedersah,
Weiß sind Türme, Dächer, Zweige,
Und das Jahr geht auf die Neige,
Und das schönste Fest ist da.

Tag du der Geburt des Herrn,
Heute bist du uns noch fern,
Aber Tannen, Engel, Fahnen
Lassen uns den Tag schon ahnen,
Und wir sehen schon den Stern. 


Theodor Fontane (1819 - 1898), dt. Schriftsteller, Journalist, Erzähler und Theaterkritiker



Friedrich Hebbel 


Glaube, Liebe, Hoffnung: glaube, liebe Hoffnung!



Hebbel, Tagebücher. Nach der historisch-kritischen Ausgabe von R. M. Werner, 4 Bde., 1903-04. 1843
 


Johann Wolfgang von Goethe


Hoffnung beschwingt Gedanken,
Liebe Hoffnung.

Goethe, J. W., Gedichte. Ausgabe letzter Hand, 1827. Lyrisches. Aus einem Stammbuch von 1604



 
Weihnachten
Joseph von Eichendorff

Markt und Straßen stehn verlassen,
Still erleuchtet jedes Haus,
Sinnend geh ich durch die Gassen,
Alles sieht so festlich aus.

An den Fenstern haben Frauen
Buntes Spielzeug fromm geschmückt,
Tausend Kindlein stehn und schauen,
Sind so wunderstill beglückt.

Und ich wandre aus den Mauern
Bis hinaus ins freie Feld,
Hehres Glänzen, heil'ges Schauern!
Wie so weit und still die Welt!

Sterne hoch die Kreise schlingen,
Aus des Schnees Einsamkeit
Steigt's wie wunderbares Singen –
O du gnadenreiche Zeit!

 Eichendorff, J., Gedichte. Originaltext

Joseph Karl Benedikt Freiherr von Eichendorff (1788 - 1857), deutscher Dichter, Novellist und Dramatiker 

Quellen:

Erster Advent: https://www.aphorismen.de/suche?text=Advent&autor_quelle=Rilke

Zweiter Advent: https://www.aphorismen.de/gedicht/223692

Dritter Advent: https://www.aphorismen.de/gedicht/7959, https://www.deutschelyrik.de/verse-zum-advent.html

Vierter Advent: https://www.aphorismen.de/zitat/7127, https://www.aphorismen.de/zitat/205974

Weihnachten: https://www.aphorismen.de/suche?text=weihnachten&autor_quelle=eichendorff